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Blogeintrag

Arbeit im Home-Office – verwirrende Zahlen unterschiedlicher Studien

Woher kommen die Unterschiede zwischen Mikrozensus und BITKOM-Daten?

In der Anhörung zu digitaler Arbeit des Bundestagsausschusses Digitale Agenda hatte ich Zahlen auf Basis des Mikrozensus genannt, die sich stark von Zahlen des Bitkom unterscheiden. Während der Anhörung twittert@gemuellert zu recht in Bezug darauf: „@DJanecek Mikrozensus? Zugleich arbeitet @Bitkom mit anhängenden Zahlen. Verwirrend. @sabinepfeiffer“ und hängt eine Infografik von Statista (2104) an. Ich habe hier mal versucht, die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der beiden Studien nachvollziehbar zu machen.

Erst mal zu den beiden Datengrundlagen. In meiner schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung (Pfeiffer 2015: 9) hatte ich auf Basis eigener Erhebungen ausgeführt: „Nach Angaben des Mikrozensus (vgl. Klein u.a. 2015: 61ff.) arbeiten 3,36 % aller Erwerbstätigen hauptsächlich zu Hause (d. h. in den letzten drei Monaten an der Hälfte der Arbeitstage) und 7,8 % manchmal – mit über 88,5 % aber gibt ein Großteil der Erwerbstätigen an, nie zu Hause zu arbeiten. Eine Betrachtung nach Geschlecht ändert an dieser generellen Tendenz wenig, allerdings überrascht – folgt man dem vorherrschenden Diskurs, der Vereinbarkeit überwiegend als Frauenthema und positiv mit Arbeit im Home-Office konnotiert – dass der Anteil der hauptsächlich zu Hause arbeitenden Männer mit 9 % deutlich höher liegt als der Anteil der Frauen mit 6,3 %. Für beide Geschlechter liegt der Anteil der manchmal zu Hause Arbeitenden bei knapp unter 4 %. Damit ergibt sich, dass mit 89,9 % mehr erwerbstätige Frauen nie zu Hause arbeiten als Männer mit einem Anteil von 87,4 %.“

Diese Aussage basiert auf Auswertungen (Klein u.a. 2015) auf Basis des Mikrozensus. Die verwendeten Mikrozensus-Daten (Statistisches Bundesamt 2014) stammen aus dem Jahr 2013 und sind im Kapitel 4.1 Erwerbstätige nach Erwerbsarbeit zu Hause und ausgewählten Merkmalen im Detail nachvollziehbar. In diese Daten sind alle Erwerbstätigkeiten und alle Wirtschaftszweige einbezogen. Beim Mikrozensus inklusive der integrierten Arbeitskräfteerhebung werden jährlich in einer repräsentativen Stichprobenerhebung rund 1% der Bevölkerung in Deutschland mit Auskunftspflicht befrag – das sind rund 390.000 Haushalte und 830.000 Personen.

Die Grafik zu Daten des Bitkom von Statista (2014) lässt offen, welche Datenbasis benutzt wurde. Sie wurde 2014 eingestellt, es sind keine weiteren Informationen auf der Seite von Statista hinterlegt. Ein Hinweis liefert eine Pressemitteilung des Bitkom (2014). Dort werden die gleichen Zahlen wie in der Grafik genannt und zu Methodik und Datenbasis angegeben: „Das Marktforschungsinstitut Aris hat im Auftrag des Bitkom 1006 Personen ab 14 Jahren in Deutschland befragt, darunter 620 Berufstätige. Die Befragung ist repräsentativ.”

Die Unterschiede in den Ergebnissen zweier Studien können zunächst mal resultieren aus der unterschiedlichen Datenbasis (Abgrenzungen Wirtschaftszweig, Erhebungsform und -zeit, Stichprobenziehung, Stichprobengröße, Repräsentativität in Bezug auf welche Grundgesamtheit etc.). Sie können auch Folge der unterschiedlichen Art von Frage und möglichen Antwortkategorien sein. Sie können mit Gütekriterien wie Validität und Reliabilität zu tun haben. Sie können mit inhaltlich unterschiedlichen Bezügen in der Gesamtdramaturgie des Fragebogens zu tun haben (wird „zu Hause“ nur abgegrenzt in Bezug auf einen betrieblichen Arbeitsplatz oder/und in Bezug auf mobiles Arbeiten? Geht es eher um Entgrenzungsphänomene oder klar definierte Home-Office-Zeiten?).

Da wir über die Bitkom-Studie deutlich weniger wissen als über die Mikrozensus-Daten ist das alles nicht im Einzelnen zu entwirren. Trotz methodischer Unterschiede, erwartet man ja doch üblicherweise wenigstens ähnliche Tendenzen. Verwirrend bleibt, dass die Unterschiede zwischen beiden Studien teils erstaunlich hoch sind.

Das gilt auch für die Selbständigen. Auch hier weichen die Mikrozensus-Daten und die des Bitkom aus der Pressemitteilung bzw. Statista-Grafik stark voneinander ab: Laut den Bitkom-Daten arbeiten 53% der Selbständigen und Freiberufler regelmäßig vom heimischen Schreibtisch aus und 47 Prozent zumindest hin und wieder. In den Mikrozensus-Daten wird unterschieden zwischen Selbständigen mit und ohne Beschäftigte. Betrachtet man – was im Kontext der Digitalisierungsdebatte erst mal nahe liegt – nur die Solo-Selbständigen, ergibt sich folgendes Bild: 50% arbeiten nie zu Hause, 26,5% hauptsächlich und 23% manchmal. Das ergibt doch ein sehr andere Bild.

Es existiert eine weitere Bitkom Studie mit dem Titel Arbeit 3.0 (Bitkom 2013), die sich u.a. mit dem Arbeiten zu Hause beschäftigt. Dort wird die Frage gestellt: „Arbeiten Sie ganz oder teilweise zu Hause?” und es kann geantwortet werden: Ja, täglich / Ja, mehrere Tage pro Woche / Ja, einen Tag pro Woche / Ja, aber nur gelegentlich / nein / weiß nicht, k.A. (ebd.: 9). Hier sind also die Angaben anders als in der Statista-Grafik, in der nur unterschieden wird zwischen „nutzen Home-Office regelmäßig” und „nutzen Home-Office” – was nicht gerade trennscharf ist und so wahrscheinlich nicht abgefragt wurde sondern Ergebnis einer Umkodierung und Zusammenführung ist.

Die Bitkom-Studie Arbeit 3.0 ist eine im Herbst 2012 von der ARIS durchgeführte Befragung, Studienkonzept und Fragebogendesign stammen von der Bitkom Research GmbH. In einer telefonischen Befragung wurden nach einer repräsentativen Zufallsauswahl 854 Unternehmen (49 aus der ITK- Branche und 805 Anwenderfirmen) und 505 Erwerbstätige befragt. Als Grundgesamtheit nennt die Studie Unternehmen in Deutschland ab 3 Mitarbeitern der Wirtschaftszweige WZ 2008 Abschnitte A bis N und P bis S (d.h. ohne Öffentliche Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung) und Erwerbstätige in Deutschland im Alter von 16 bis 65 Jahren. Die Personenstichprobe wurde repräsentativ gewichtet nach Region, Alter, Geschlecht und Bildung und nach Branchen und Größenklassen in Bezug auf die Unternehmen. Als statistische Fehlertoleranz gibt die Studie an: +/- 3 Prozentpunkte in der Gesamtstichprobe (alle Angaben vgl. Bitkom 2013: 33).

Quellen 

Bitkom 2013. Arbeit 3.0 - Arbeiten in der digitalen Welt. Bitkom - Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Studie-Arbeit-30.html 

Bitkom 2014. Vier von zehn Beschäftigten arbeiten zeitweise von zu Hause aus. Pressemitteilung vom 23.07.2014. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Vier-von-zehn-Beschaeftigten-arbeiten-zeitweise-von-zu-Hause-aus.html 

Klein, B./Menez, R./Oestreicher, E./Pfeiffer, S./Suphan, A. 2015: Ist-Zustand, Trends, Potenziale und Problemlagen einer mobilen und digitalen Arbeitswelt. Doppelgutachten zu den Branchen Automobil und IKT- Dienstleistungen im Vergleich im Auftrrag des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Stuttgart: Universität Hohenheim. 

Pfeiffer, S. 2015. Stellungnahme zum Fragenkatalog für da öffentliches Fachgespräch zum Thema Digitale Arbeit am Mittwoch, dem 30. September 2015 im Bundestags-Ausschuss Digitale Agenda. Ausschussdrucksache 18(24)70 http://www.bundestag.de/blob/389692/4700320897bb1fc031a6cb27af2ce293/a-drs-18-24-70-data.pdf 

Statistia 2014. Homeoffice weit verbreitet. Infografik. http://de.statista.com/infografik/2495/anteil-der-homeoffice-nutzer-in-verschiedenen-beschaeftigungsverhaeltnissen/ 

Statistisches Bundesamt 2014. Mikrozensus. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Beruf, Ausbildung und Arbeitsbedingungen der Erwerbstätigen in Deutschland 2013. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Mikrozensus.html

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